Ersatzbaugenehmigung nach § 35 Abs. 4 Nr. 2 BauGB beinhaltet automatisch die Verpflichtung zum Abriss des alten Gebäudes

Ersatzbaugenehmigung nach § 35 Abs. 4 Nr. 2 BauGB beinhaltet automatisch die Verpflichtung zum Abriss des alten Gebäudes

In der Praxis kommt es häufig vor, dass eine Ersatzbaugenehmigung nach § 35 Abs. 4 Nr. 2 BauGB erteilt wird, ohne dass in der Baugenehmigung ausdrücklich die Verpflichtung zum Abriss des alten Gebäudes durch das Bauamt verfügt wird. Dies ist zwar Tatbestandsvoraussetzung für den Neubau und wird deshalb in den Verwaltungsverfahren inhaltlich für die neue Genehmigung geprüft. Der Abriss wird teilweise aber nicht ausdrücklich in die neue Baugenehmigung aufgenommen. So war es auch in dem vorliegenden Fall: Der Kläger hatte eine Baugenehmigung für die Errichtung eines Ersatzbaus erhalten. In dieser war die Abrissverfügung für den Altbau nicht explizit aufgenommen worden. Dementsprechend war der Kläger der Auffassung, zum Abriss des Altgebäudes nicht verpflichtet zu sein.

Bereits in 1. Instanz hatte das Verwaltungsgericht Münster angenommen, die Erteilung der Baugenehmigung für den Neubau beinhalte gleichsam automatisch auch die Verpflichtung zur Beseitigung des Altgebäudes. Diese Auffassung hat das OVG nunmehr in seiner Entscheidung vom 10.03.2022 – 10 A 319/21 – bekräftigt. Es hat ausgeführt, dass eine Baugenehmigung nach § 35 Abs. 4 Nr. 2 BauGB nur dann in Betracht komme, wenn das jeweilige Altgebäude als im Außenbereich vorhandener Baubestand durch den jeweils genehmigten Neubau ersetzt werde. Das Gesetz sehe den Neubau ausdrücklich „an gleicher Stelle“ vor und setze damit die Beseitigung des Altgebäudes voraus. Der jeweilige Bauherr sei mithin, wolle er eine nach der genannten Vorschrift erteilte Baugenehmigung ausnutzen, verpflichtet, das Altgebäude zu ersetzen. Dies bedeute nichts anderes, als dass er es in jedem Fall spätestens bei Bezugsfertigkeit des Neubaus beseitigen müsse, auch wenn der Altbau nicht „an derselben Stelle“ errichtet werde. Dies ist insofern ungewöhnlich, als im Regelfall eine Verpflichtung nicht unmittelbar aus einer abstrakt generellen Vorschrift wie ein Gesetz folgt, sondern im Rahmen einer Einzelfallregelung (Verwaltungsakt) konkretisiert werden muss. Auch das Recht einen Ersatzbau zu errichten hat der Bauherr nicht allein deshalb, weil dies in § 35 Abs. 4 Nr. 2 BauGB so angeordnet ist, sondern erst dann, wenn er eine entsprechende Baugenehmigung (Verwaltungsakt) als Einzelfallregelung erhalten hat. Deshalb haben die Baubehörden weitgehend – anders als im entschiedenen Fall – die Abrissanordnungen in die Baugenehmigungen aufgenommen.

Gleichwohl haben sich Bauherren künftig auf die Entscheidung einzustellen: Es bedarf nach der Rechtsprechung des OVG keiner ausdrücklichen Aufnahme des Abrisses in die neue Baugenehmigung. Dies weder im Rahmen einer Nebenbestimmung noch im Rahmen des Tenors. Die Abrissanordnung ergibt sich nach Auffassung des OVG unmittelbar aus dem Gesetz.