Wer eine Erneuerbaren-Energien-Anlage plant, muss sich frühzeitig um den Anschluss an das Stromnetz kümmern. Damit der erzeugte Strom später auch eingespeist werden kann, ist eine sog. Netzanschlussreservierung nötig – also die frühzeitige „Sicherung“ eines Anschlusses am Stromnetz. Netzanschlussreservierungen haben sich für Projektentwickler als praxisrelevantes Instrument zur frühzeitigen Sicherung von Einspeisekapazitäten etabliert. Eine gesetzliche Normierung fehlt jedoch bislang, was erhebliche Rechtsunsicherheiten mit sich
bringt und in der Praxis immer wieder zu Schwierigkeiten führt.
Fehlende gesetzliche Regelung
Zwar hat der Bundesgerichtshof bestätigt, dass Netzbetreiber solche Reservierungen anbieten dürfen (vgl. BGH, Urt. v. 21.03.2023 – XIII ZR 2/20) – wie genau das Verfahren abläuft, wer Vorrang bekommt und wie lange man auf eine Rückmeldung warten muss, ist oft unklar. Denn weder das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG), das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) noch die Kraftwerks-Netzanschlussverordnung (KraftNAV) enthalten konkrete Vorgaben zur Netzanschlussreservierung.
Der BGH fordert zur Durchführung eines Reservierungsverfahrens zwar ein transparentes, diskriminierungsfreies und willkürfreies Vorgehen der Netzbetreiber, definiert aber dessen Anforderungen nicht näher und überlässt die Ausgestaltung des Reservierungsverfahrens und die Auswahl geeigneter Reservierungskriterien weitestgehend den Netzbetreibern. Netzbetreiber sind daher zurEinhaltung selbst gesetzter Kriterien verpflichtet, wenn sie ein Reservierungsverfahren einleiten.
Dies führt in der Praxis zu einer uneinheitlichen und teils unübersichtlichen Handhabung durch die Netzbetreiber, die zum Teil jeweils eigene Reservierungskriterien entwickeln.
Heterogene Reservierungspraxis der Netzbetreiber
Netzbetreiber verlangen für eine Reservierung von Einspeisekapazitäten den Nachweis einer sog. „Planungsreife“ des geplanten Vorhabens und treffen auf dieser Grundlage eine sog. Prognoseentscheidung. Nachzuweisen ist eine hinreichende Realisierungssicherheit der geplanten Anlage. Was das genau heißt, ist aber nicht einheitlich geregelt.
An dieser Stelle bildet das Energierecht eine Schnittstelle zum öffentlichen Baurecht: Der Nachweis der Planungsreife ist in der Praxis bspw. über Bauvorbescheide, Baugenehmigungen oder bestimmte gemeindliche Beschlüsse nachzuweisen. Anerkannt sind außerdem konkrete Investitionsentscheidungen oder die Bestellung der Anlage.
In der Praxis bedienen sich Netzbetreiber dazu eigener Kataloge an Reservierungskriterien. Die Kriterienkataloge bzw. die Anforderungen an das Reservierungsverfahren sind allerdings häufig nicht vollständig öffentlich dokumentiert. Zugleich erfordert die Festlegung der Reservierungskriterien eine Auseinandersetzung mit den in Betracht kommenden Planungsverfahren, die je nach Anlagentypus und gewähltem Planungsverfahren vielschichtig sind. Kommt der Netzbetreiber seinen aufgestellten Reservierungskriterien nicht nach, ist er zum Schadensersatz verpflichtet. Der betroffene Netzanschlusspetent kann seinen Reservierungsanspruch auch gerichtlich per Leistungsklage und einstweiliger Verfügung (§ 83 EEG) durchsetzen.
Die Reservierungsverfahren unterliegen damit keiner einheitlichen Praxis und führen zu teils ungleichen Zugangsvoraussetzungen.
Lange Wartezeiten und fehlende Transparenz
In vielen Fällen vergehen Monate, bis Projektentwickler überhaupt eine Antwort vom Netzbetreiber bekommen – teilweise ohne Zwischenbescheid oder konkrete Auskunft über den Bearbeitungsstand. Das verzögert die gesamte Projektentwicklung und kann dazu führen, dass wichtige Fristen verpasst oder Förderungen gefährdet werden.
Im Rahmen der Nachprüfbarkeit der Reservierungszusage muss der Netzbetreiber gem. des Transparenzgebots die Bedingungen für das Reservierungsverfahren eindeutig und unmissverständlich für alle Anschlusspetenten formulieren. Aus der Formulierung des Netzbetreibers muss sich mindestens ergeben,
· welche Verfahrensschritte durch welchen Nachweis notwendig sind,
· wie diese zueinander im Verhältnis stehen,
· in welchem Zeitraum die Reservierung bestand hat und
· unter welchen Voraussetzungen eine Verlängerung gewährt wird.
Floskelartige Formulierungen wie bspw. „Beschluss der Gemeinde“ genügen nicht. Der Netzbetreiber muss die Reservierungsbedingungen einschließlich etwaiger Änderungen allen Anschlusspetenten transparent zugänglich machen. Darin liegt jedoch keine Veröffentlichungspflicht des Netzbetreibers, dies kann auch in AGB geregelt werden.
Kapazitätsvergabe und Diskriminierungsverbot
Ein weiteres Problem liegt in der Kapazitätsvergabe. Häufig ist der Netzverknüpfungspunkt durch andere Reservierungen belegt. Der Netzbetreiber muss in diesem Fall diskriminierungsfrei über alternative Verknüpfungspunkte informieren und gegebenenfalls befristete Übergangslösungen anbieten. Eine Zurückstellung des Anschlussbegehrens allein aufgrund mangelnder Kapazität ist nicht zulässig, da der Netzbetreiber gem. § 8 Abs. 4 EEG verpflichtet ist, den Netzausbau parallel einzuleiten.
Befristung und Verlängerung von Reservierungen
Selbst wenn eine Reservierung dann gewährt wird, ist sie oft nur für wenige Monate gültig und an die Bedingung geknüpft, dass innerhalb dieser Frist ein weiterer Projektfortschritt erfolgt, sog. Stufenmodell. Der BGH hat dazu entschieden, Reservierungen seien „in geeigneter Weise zu befristen“, dies jedoch nicht näher konkretisiert. Das ist vor allem deshalb problematisch, weil viele Planungsverfahren selbst unter Berücksichtigung der neueren Beschleunigungsvorschriften deutlich länger dauern. Verliert ein geplantes Vorhaben seine Reservierung, weil der für die Verlängerung notwendige Nachweis nicht erbracht werden kann, ist ein Wiedereinstieg in die bestehende oder eine niedrigere Reservierungsstufe nicht ohne weiteres möglich. Oftmals wird das Reservierungsbegehren automatisch bspw. über das Online-Portal ohne Handhabe des Anschlusspetenten abgebrochen.
Solche engen Fristen und Nachweispflichten stehen häufig nicht im Einklang mit der Dauer von Planverfahren und können gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen, wenn sie ohne sachliche Rechtfertigung, insbesondere ohne Einbezug der Verfahrensdauer des konkreten Planungsverfahrens im Netzgebiet, erfolgen.
Fazit
Wer eine EE-Anlage plant, steht beim Netzanschluss vor vielen juristischen Hürden. Klare gesetzliche Regeln für Reservierungen fehlen bislang – und das sorgt für Verzögerungen und Unsicherheiten. Eine einheitliche Regelung würde hier nicht nur für mehr Gerechtigkeit sorgen, sondern auch den Ausbau der erneuerbaren Energien deutlich beschleunigen. Die rechtlichen Unsicherheiten im Bereich der Netzanschlussreservierungen stellen für Projektentwickler ein erhebliches Risiko dar. Die aktuelle Rechtslage verlangt von Netzbetreibern zwar Transparenz und Gleichbehandlung, lässt ihnen jedoch großen Spielraum bei der Verfahrensausgestaltung. Es besteht gesetzgeberischer Handlungsbedarf zur Vereinheitlichung und Stärkung der Planungs- und Investitionssicherheit. Wir beraten Sie gerne dazu und unterstützen während des Reservierungsverfahrens.
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05.08.2025 Katrin Ibrom