Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) erweitert Bebauungsmöglichkeiten im Außenbereich unter Bestandsschutzaspekten
Gebäude im Außenbereich – Wohn- und Wochenendhäuser, Jagdhütten – haben häufig keine Baugenehmigungen, da sie aufgrund ihrer geringen Größe keine bodenrechtliche Relevanz aufweisen, ihre Errichtung deswegen von den Bundesländern ohne Genehmigungs- bzw. Anzeigeverfahren zugelassen werden kann oder Bauunterlagen nicht mehr vorliegen. Problematisch werden diese Fälle dann, wenn ein solches Gebäude verfällt oder durch einen Brand zerstört wird und anschließend neu errichtet (§ 35 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 und 3) oder erweitert werden soll (§ 35 Abs. 4 S. 1 Nr. 5 BauGB). Zwar ermöglicht § 35 Abs. 4 BauGB die Zulassung eines ansonsten unzulässigen Vorhabens. Notwendige Voraussetzung dafür ist jedoch in allen vorbenannten Tatbeständen, dass das ursprüngliche Gebäude „zulässigerweise errichtet“ worden ist. Dieses Tatbestandsmerkmal wurde vom Baurechtssenat des BVerwG bislang sehr eng ausgelegt, was nun jedoch mit Urteil vom 03. 08. 2016 (4 C 3/15) aufgegeben wurde.
Im zu entscheidenden Fall ging es um ein eingeschossiges Haus am Ammersee mit einer Grundfläche von 31 m², das vor 1939 errichtet und als „Wohngebäude“ bezeichnet wurde. 1954 genehmigte das Landratsamt Um- und Anbauarbeiten „am Wochenendhaus“ und 2010 genehmigte es dem Eigentümer die Baugenehmigung für eine Erweiterung des Gebäudes um einen Schlafraum mit einer Grundfläche von 18 m². Hierbei ersetzte die Behörde das verweigerte Einvernehmen der Gemeinde, die dann klageweise gegen die Baugenehmigung vorging.
Fraglich war, ob das unstreitig im Außenbereich gelegene Wohnhaus i. S. v. § 35 Abs. 4 S. 1 Nr. 5 BauGB „zulässigerweise errichtet“ worden ist, obwohl es sich aufgrund der geringen Größe um ein Vorhaben handelte, dessen Zulässigkeit sich nicht nach den bundesrechtlichen Vorschriften des Städtebaurechts richtete. Während der VGH dieses Tatbestandsmerkmal unter Bezugnahme auf die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung verneinte, bejahte der Baurechtssenat dies nunmehr ausdrücklich unter Aufgabe seiner seitherigen Rechtsprechung. Zur Begründung wird zunächst auf den Wortlaut des § 35 Abs. 4 S. 1 Nr. 5 BauGB verwiesen, der eine solche Einschränkung auf bodenrechtlich relevante Vorhaben, die dem Städtebaurecht des Bundes unterfallen, nicht kenne. Stelle das Bauplanungsrecht an ein Gebäude keine Anforderungen, so dürfe es der Bauherr errichten, ohne gegen Bauplanungsrecht zu verstoßen. Es würde auch einen Wertungswiderspruch darstellen, wenn man ein solches Vorhaben rechtlich schlechter stellen würde als ein materiell-baurechtswidriges, aber bauaufsichtlich formell genehmigtes Gebäude. Eine womöglich im Jahr 1959 aufgenommene Wohnnutzung wäre aufgrund der 1952 erteilten Wohnsiedlungsgenehmigung formell rechtmäßig gewesen. Die Rechtswirkungen dieser Genehmigung seien mit einer Baugenehmigung nach heutigem Stand vergleichbar.
Diese Entscheidung schafft Klarheit in vielen Aspekten. Nach dem Wortlaut des § 35 Abs. 4 S. 1 Nr. 5 BauGB kann es nicht darauf ankommen, ob das jeweilige Gebäude im Zeitpunkt seiner Errichtung dem Bundesrecht oder mangels bodenrechtlicher Relevanz dem Landesrecht unterfällt. Für die heutigen Grundstückseigentümer darf es keine Nachteile mit sich bringen, dass die landesrechtlichen Regelungen dem Bauherrn seiner Zeit freier Hand ließen. Die einschränkende Auslegung des Tatbestandsmerkmals „zulässigerweise errichtet“ gilt darüber hinaus auch für die in § 35 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 lit. d (Änderung der bisherigen Nutzung eines Gebäudes), Nr. 2 lit. a (Neuerrichtung eines gleichartigen Wohngebäudes an gleicher Stelle), Nr. 3 (alsbaldige Neuerrichtung eines zerstörten gleichartigen Gebäudes) und Nr. 6 (Erweiterung eines gewerblichen Betriebes) geregelten Sachverhalte. Damit werden die Baumöglichkeiten im Außenbereich für die den Bestandsschutz unterfallenden Gebäude deutlich erweitert.