Verfassungsbeschwerde wegen Versagung von Eilrechtschutz erfolgreich

Das Bundesverfassungsgericht hat eine Entscheidung getroffen, die auch für Flurbereinigungsverfahren von größter Bedeutung ist. Es hat mit Beschluss vom 14.09.2016 –1 BvR 1335/13 –, juris einer Verfassungsbeschwerde gegen die Versagung von Eilrechtsschutz bezogen auf die sofortige Vollziehung einer Besitzeinweisung stattgegeben.

Der vom Bundesverfassungsgericht entschiedene Fall hat den Braunkohletagebau zum Gegenstand. Die Entscheidung trifft aber ebenso auf Flurbereinigungsverfahren zu.

Die Beschwerdeführerin des Verfahrens war Eigentümerin eines Grundstücks, das für den Braunkohletagebau in Anspruch genommen worden ist. Zunächst wurde der Beschwerdeführerin das Eigentum an dem Grundstück entzogen und es zur bergbaulichen Nutzung auf den Vorhabenträger des Braunkohletagebaus übertragen. Dagegen hatte die Eigentümerin Klage erhoben, über die noch nicht entschieden worden war. Zudem wurde dem Vorhabenträger unter Anordnung der sofortigen Vollziehung vorzeitig in den Besitz des Grundstücks eingewiesen. Gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Besitzeinweisung hatte die Beschwerdeführerin Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt. Ihr Antrag ist vom Verwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen worden. Das Oberverwaltungsgericht hatte im Wesentlichen ausgeführt, bei einer summarischen Prüfung müssten der Erfolgsaussichten der Klage als offen angesehen werden. Gleichwohl gehe die Interessenabwägung im Ergebnis zulasten der Beschwerdeführerin, da eine Stattgabe des Eilantrags zu einem mehrmonatigen Stillstand des Tageabbaus führen würde. Gegen diese Entscheidung hatte die Beschwerdeführerin Verfassungsbeschwerde erhoben mit der Begründung, die Versagung von Eilrechtsschutz verletzte ihr Grundrecht auf Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG.

Dieser Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht stattgegeben. Es hat ausgeführt, Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG erfasse neben dem Zugang zu den Gerichten auch die Wirksamkeit des Rechtsschutzes, der wiederum die Effektivität der Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes umfasse. Dabei komme Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG die Aufgabe zu, irreparable Entscheidungen, wie sie durch die sofortige Vollziehung einer hoheitlichen Maßnahme eintreten können, so weit als möglich auszuschließen. Das Bundesverfassungsgericht hält grundsätzlich an der Möglichkeit einer summarischen Prüfung im Rahmen der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes fest, führt aber aus, dass die notwendige Prüfungsintensität mit der drohenden Rechtsverletzung steige, die bis dahin reichen kann, dass die Gerichte unter besonderen Umständen dazu verpflichtet sein können, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Drohe einem Antragssteller bei Versagung des fachgerichtlichen, einstweiligen Rechtsschutzes eine erhebliche über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Grundrechten, die durch eine der Klage stattgebende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, so sei es erforderlichenfalls unter eingehender tatsächlicher und rechtlicher Prüfung des im Hauptsacheverfahren geltend gemachten Anspruchs einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren. Davon können nur aus besonders gewichtigen Gründen abgewichen werden. Insoweit sei die oberverwaltungsgerichtliche Entscheidung zu beanstanden, da sich das Gericht auf eine Folgenabwägung zurückgezogen habe, ohne zuvor zu versuchen, dem verfassungsrechtlichen Gebot der tatsächlichen und rechtlichen Durchdringung des Falls gerecht zu werden. Es habe keinen Versuch unternommen, die Rechtmäßigkeit der vorzeitigen Besitzeinweisung zu prüfen, obwohl es erkannt habe, dass durch deren Vollzug ein Zustand geschaffen werde, der zulasten der Beschwerdeführerin die Hauptsache vorweg nehme. Eine inhaltliche Annäherung an die Lösung der vom Gericht in seinem Beschluss selbst aufgeworfenen offenen Fragen und deren Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der vorzeitigen Besitzeinweisung sei nicht erfolgt. Auch sei nicht zu erkennen, dass eine eingehende Prüfung der Sach- und Rechtslage für das Oberverwaltungsgericht unmöglich gewesen sei.

Überträgt man diese Entscheidung auf die Flurbereinigung, so bedeutet dies, dass in Fällen, in denen die vorläufige Besitzeinweisung (§ 65 FlurBG) die Hauptsache vorweg nimmt – was in der Flurbereinigung der Regelfall sein dürfte und vom Bundesverwaltungsgericht sogar als teilweise Vorwegnahme des endgültigen Standes des Flurbereinigungsplans bezeichnet wird (BVerwG, Beschl. v. 06.03.1961 – I B 141.60 –, RdL 1961, 136) – vorläufiger Rechtsschutz zu gewähren und bei Schaffung vollendeter Tatsachen die Sach- und Rechtslage vollumfänglich zu prüfen ist. Bislang galt für die Flurbereinigung sogar in den Hauptsacheverfahren ein anderer Maßstab. Denn nach ständiger Rechtsprechung musste auch nur eine vorübergehende Nutzung bis zur Planausführung unzumutbar sein. Dazu musste entweder ein offensichtlich grobes Missverhältnis zum Wert der Einlage bestehen oder die Behörde musste unzumutbar in die Struktur des Betriebes eingegriffen haben (BVerwG, Beschl. v. 31.10.1966 – IV B 2.66 –, RdL 1967, 219). Insofern ist die zum Braunkohletagebau ergangene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für die Flurbereinigung von großer Bedeutung, sichert sie den Eigentümern doch zu, dass bei der Schaffung vollendeter Tatsachen im Rahmen des Eilrechtsschutzes die Sach- und Rechtslage bereits vollVerfassungsbeschwerdeumfassend geprüft werden muss.