In dem Urteil vom 01.08.2018 – 22 BV 17.1059 – hatte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof unter anderem über die Frage einer Klagebefugnis eines anerkannten Umweltverbandes hinsichtlich einer zuvor erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zu entscheiden.
Der Kläger wendet sich als anerkannter Naturschutzverband gegen eine erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Windenergieanlage mit einer Gesamthöhe von 119,1 m. Der Verband machte geltend, dem Vorhaben stünden Belange des Naturschutzes und des Artenschutzes nach § 35 Abs. 3 S.1 Nr. 5 BauGB i.V.m. § 44 Abs. 1 BNatSchG entgegen. Zudem rügte der Verband Verstöße gegen den Landschaftsschutz.
Bei Erhebung der Klage fehlte dem Kläger zunächst die Klagebefugnis. Damit stellte sich für das Gericht die Frage, ob eine ohne Klagebefugnis erhobene und damit eigentlich unzulässige Anfechtungsklage geeignet ist, den Eintritt der Bestandskraft eines angefochtenen Verwaltungsaktes zu hindern. Anlehnend an einen ähnlichen Fall vor dem Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 28.06.2002 – 4 A 59/01 – ) leitete dieses damals eine Klagebefugnis aus der Überleitungsvorschrift des § 69 Abs. 5 Nr. 2 BNatSchG n.F. her, weil nach Klageerhebung eine Rechtsänderung eingetreten war, die dem Kläger die bisher nicht gegebene Klagebefugnis verliehen hat. Die Vorschrift des § 69 Abs. 5 Nr. 2 BNatSchG ordnet die Rückwirkung des Gesetzes gerade hinsichtlich der bundesrechtlich normierten Klagebefugnis eines anerkannten Naturschutzverbandes an. Die Erweiterung der Klagebefugnis kann im vorliegenden Fall laut VGH München auf die mit Wirkung vom 2. Juni 2017 neue eingefügte Regelung des § 1 Abs. 1 S.1 Nr. 5 UmwRG übertragen werden. In dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung hieß es dazu, „mit der Änderung des § 8 Abs. 2 UmwRG wird sichergestellt, dass der erweiterte Anwendungsbereich des geänderten UmwRG auf alle zukünftigen Entscheidungen Anwendung findet. Es werden auch alle Entscheidungen erfasst, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes noch keine Bestandskraft erlangt haben. Die Änderung betrifft allein solche Entscheidungen, zu denen im Zeitpunkt des Inkrafttretens bereits ein Rechtsbehelfsverfahren anhängig ist oder noch anhängig gemacht werden kann“.
Die sich aus diesem Urteil ergebende Klagebefugnis nach § 1 Abs. 1 S.1 Nr. 5 UmwRG anerkannter Umwelt- und Naturschutzverbände bewirkt auch im Rahmen der Privilegierungstatbestände des § 35 Abs. 1 BauGB einen maßgeblichen Umschwung. Durch die nun mit diesem Urteil anerkannte Klagebefugnis kann ein anerkannter Umweltverband gegen die Privilegierung eines Vorhabens im Sinne des § 35 Abs. 1 BauGB vorgehen, indem er einen Verstoß gegen den Landschaftsschutz nach § 35 Abs. 3 S.1 Nr. 5 BauGB i.V.m. § 44 Abs. 1 BNatSchG rügt. Dies bedeutet, dass Verbände nun auch im Rahmen des Bauplanungsrechts unabhängig von einem subjektiven Klagerecht einer Privilegierung entgegenstehende Umweltbelange geltend machen können. Daraus ergibt sich insbesondere im Baurecht die Gefahr, dass Umweltverbänden durch diese Klagebefugnis mehr Rechte zustehen als dem jeweiligen Privaten. Dieser kann – nach der sog. modifizierten Subjektstheorie – immer nur dann klagen, wenn er selbst im Rahmen eines ihn betreffenden subjektiven Rechts durch das Vorhaben betroffen ist.