Kurskorrektur bei 380-KV-Leitung durch das Münsterland?

Die geplante 380 KV-Höchstspannungsleitung, die als Freileitung durch das Münsterland zwischen Westerkappeln im Kreis Steinfurt und Gersteinwerk im Kreis Unna (Netzausbauprojekt „Vorhaben 89“ im Bundesbedarfsplan) geplant ist, sorgt derzeit für viel Gesprächsstoff.

Wie bekannt wurde, sind gegen die Planung der Freileitung im laufenden Verfahren zur sog. Raumverträglichkeitsprüfung bei der Bezirksregierung Münster rund 2.500 Stellungnahmen eingegangen – mehr als üblich! Auch die Bürgerinitiative „Aktionsbündnis 89“ und der Westfälisch-Lippische Landwirtschaftsverband (WLV) äußern Zweifel an der Notwendigkeit der Freileitung.

Was ist eine Raumverträglichkeitsprüfung?

Die Raumverträglichkeitsprüfung ist ein Abstimmungsverfahren eigener Art. Sie findet Anwendung bei Planungen und Maßnahmen mit erheblichen überörtlichen Auswirkungen. Diese müssen in der Regel ein gestuftes Planungsverfahren bis hin zur Genehmigung durchlaufen, bevor sie realisiert werden können. Sog. raumbedeutsame Vorhaben sind Planungen und sonstige Maßnahmen, durch die Grund und Boden in Anspruch genommen oder die räumliche Entwicklung oder Funktion eines Gebietes beeinflusst wird. Von überörtlicher Auswirkung sind solche Vorhaben, die über das Gemeindegebiet ihres Standortes hinausreichen oder hinauswirken.

Eine frühzeitige Stufe im Abstimmungsprozess zu diesen raumbedeutsamen Planungen sowie Maßnahmen mit überörtlichen Auswirkungen ist die Raumverträglichkeitsprüfung. Es untersucht, inwieweit ein Vorhaben mit den Zielen, Grundsätzen und Erfordernissen der Raumordnung übereinstimmt und wie solche Planungen unter raumordnerischen Gesichtspunkten aufeinander abgestimmt werden können.

Wesentliche Kritik an der geplanten 380-KV-Freileitung

Verlegung als Erdkabel anstelle einer Freileitung

Diese Beurteilung wird voraussichtlich nicht Gegenstand der Raumverträglichkeitsprüfung sein, da die Entscheidung Erdkabel/Freileitung auf höherer Planungsebene durch den Gesetzgeber im Bundesbedarfsplan entschieden wird. Die Verwaltung als vollziehende Gewalt ist dabei an Recht und Gesetz gebunden (Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung aus dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtstaatsprinzip). Eine Änderung im Bundesbedarfsplan zu einem Erdkabel kann danach nur durch den Gesetzgeber selbst, über den – umstrittenen – Rechtschutzweg gem. § 6 BBPlG oder inzidenter im späteren Planfeststellungsverfahren im Rahmen der Zulassungsentscheidung erfolgen.

Einwände von Flächeneigentümern und Betroffenen gegen den Trassenverlauf und Berücksichtigung von Alternativplanungen

Diese sind Gegenstand der Raumverträglichkeitsprüfung. Wegen ihres fachübergreifenden Charakters schließt die Raumverträglichkeitsprüfung die Prüfung von ernsthaft in Betracht kommenden Trassen- und Standortalternativen ein. Dabei ist die Wahl einer Trassenvariante erst dann rechtsfehlerhaft, wenn eine andere als die gewählte Lösung sich unter Berücksichtigung aller abwägungserheblichen Belange eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere darstellen würde (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 19. Mai 1998 – 4 A 9.97 – BVerwGE 107, 1 [11] und vom 14. März 2018 – 4 A 5.17 – BVerwGE 161, 263 Rn. 82).

Steigerung der Eigenstromerzeugung und des Stromvolumens im Plangebiet und Erforderlichkeit der Freileitung

Neben den ernsthaft in Betracht kommenden Trassenalternativen wird sich die Bezirksregierung auch mit der Frage des Strombedarfs und der Erforderlichkeit der Freileitung auseinandersetzen.

Schutz der Wohnbevölkerung, des Kulturguts Münsterland und Abstandsregelungen zu Wohngebäuden/Hofstellen im Innen- wie Außenbereich

Auch diese Belange werden von der Bezirksregierung Münster im Rahmen der Raumverträglichkeitsprüfung geprüft. Dabei wird insbesondere die in das Verfahren integrierte Umweltverträglichkeitsprüfung eine zentrale Rolle spielen. In diesem Zusammenhang ist die Raumverträglichkeitsprüfung darauf ausgerichtet, Eingriffe in schützenswerte Bereiche abzuwenden oder unvermeidbare Eingriffe und Umweltbelastungen auf ein verträgliches Maß zu reduzieren.

Fazit

Auch wir begleiten Flächeneigentümer und Betroffene im Verfahren zur Raumverträglichkeitsprüfung und erwarten mit großem Interesse die für Ende März 2025 angekündigten Ergebnisse der Raumverträglichkeitsprüfung der Bezirksregierung Münster. Festzuhalten ist, dass sich die Kritik Betroffener nicht gegen die Energiewende und den Bedarf am Ausbau des Stromnetzes als solches richtet, sondern gegen die Art und Weise und die Effizienz bei der Umsetzung des Leitungsvorhabens sowie bestehender Unsicherheiten im Hinblick auf die Erforderlichkeit der Leitung aufgrund möglicher Alternativen zum Trassenverlauf. Lesen Sie zur Bundesbedarfsplanung auch gerne unseren Fachbeitrag Bundesfachplanung – Gestuftes Verfahren nach dem Netzausbaubeschleunigungsgesetz (NABEG) – Dr. Kauch.

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21.02.2025 Dr. Petra Kauch / Katrin Ibrom